Orgelbau Th. Kuhn AG, 1987

Restaurierung

Orgel erbaut von
M. Welte & Söhne, Freiburg i.Br., 1926
Windladen
Registerkanzellenladen
Traktur
pneumatisch
Registratur
pneumatisch
Einweihung
29.08.1987
Intonation
W. Rehn + R. Aebischer

Disposition


www.orgelbau.ch/op=800780

Meggen

II/P/14

Schweiz, Luzern
Schlosskapelle Meggenhorn

© Bilder Orgelbau Kuhn AG, Männedorf

Orgelbau Th. Kuhn AG, 1987

Restaurierung

Orgel erbaut von
M. Welte & Söhne, Freiburg i.Br., 1926
Windladen
Registerkanzellenladen
Traktur
pneumatisch
Registratur
pneumatisch
Einweihung
29.08.1987
Intonation
W. Rehn + R. Aebischer

Titanic oder nicht?

Das Schloss Meggenhorn hat eine wechselvolle Geschichte. Bis ins 16. Jahrhundert war es im Besitz des Chorherrenstiftes St. Leodegar in Luzern, gehörte anschliessend verschiedenen Luzerner Patrizierfamilien und wurde 1859 veräussert. Ab 1870 wurde das Anwesen durch den Architekten Xaver Meyer neugotisch umgebaut und vergrössert, Eigentümer war damals ein Elsässer Industrieller namens Edouard Hofer-Grosjean. 1886 kam das Schloss in den Besitz von Madame Marie Amélie Heine-Kohn. Noch im selben Jahr liess sie eine kleine freistehende Kapelle nach Entwürfen des Architekten Heinrich Viktor Segesser errichten, ebenfalls in neugotischem Stil. Im Jahre 1920 wurde das gesamte Anwesen an den Zürcher Textilindustriellen Jakob Heinrich Frey-Baumann verkauft, welcher 1926 die Kapelle renovieren und mit einer Orgel ausstatten liess. Heute ist die Politische Gemeinde Meggen Besitzerin der ganzen Domäne.

Das 1926 in der Kapelle installierte Werk hat heute grossen Seltenheitswert: es ist eine Welte-Philharmonie-Orgel. Die Firma Welte in Freiburg im Breisgau hatte ab 1909 pneumatische Orgeln entwickelt, welche einerseits ganz normal von einem Spieltisch aus gespielt werden konnten, andererseits aber auch mit einer Apparatur ausgestattet waren, welche das selbsttätige Abspielen von Stücken mittels gelochter Papierrollen ermöglichte.

Das für Meggenhorn gebaute Instrument (II/P/14) weist folgende besondere Anordnung auf: Der Spieltisch steht seitlich im Kapellenraum, etwas verborgen in einem beichtstuhlartig geformten Gehäuse. Das Orgelwerk selbst liegt einen Stock tiefer im Keller. Der Klang gelangt nur durch einen Gitterrost, auf welchem auch der Spieltisch steht, in den Kapellenraum. Der Klang kann aber auch durch das Öffnen von Fensterläden im Kellergeschoss in Richtung einer seitlich anschliessenden Terrasse geleitet werden. Die Orgel dient somit alternativ dem kirchlichen Gebrauch in der Kapelle wie auch als Freiluftinstrument für die Unterhaltung auf der untern Schlossterrasse.

Beinahe so wertvoll wie die Orgel selbst ist eine bestens erhaltene Sammlung von insgesamt 104 Papierrollen für den Spielapparat. Namhafte Organisten der Zeit hatten sich nicht gescheut, für die Firma Welte Stücke einzuspielen, eine frühe Art von «Konservenmusik». Darunter finden sich Namen wie Max Reger, Karl Matthaei, Eugène Gigout und Marcel Dupré.

Bei den Stücken handelt sich teilweise um Originalkompositionen (zum Beispiel von J. S. Bach, Mendelssohn und Widor), vielfach aber auch um Transkriptionen aus der damals gängigen Orchester- und Opernliteratur.

Die Firma Welte verstand ihre Reproduktionsinstrumente als Luxusprodukte für höhere Schichten. Schon das Welte-Mignon-Klavier wurde «für Cafés und Kneipen prinzipiell nicht verkauft». Die Welte-Philharmonie-Orgel war «den Salons der Majestäten, der Grossindustriellen und der Reichen in den Kulturstaaten der ganzen Welt» vorbehalten. Auch der 1912 untergegangene Luxusdampfer «Titanic» hätte ein derartiges Instrument erhalten sollen. Die Auslieferung hatte sich aber verzögert und deshalb entging die Titanic-Orgel dem Untergang. Seither streiten sich die Besitzer der wenigen erhaltenen Welte-Philharmonie-Orgeln jener Epoche um die Ehre, die Titanic-Orgel ihr Eigentum zu nennen. Mit einiger Wahrscheinlichkeit befindet sie sich heute im «Museum für mechanische Musikinstrumente» auf dem Schloss zu Bruchsal, früher in Baden-Baden. Meggenhorn kommt trotz gegenteiliger Meinungen wohl kaum in Frage, einerseits wegen des späten Einbaudatums (1926), andererseits wegen der örtlichen Platzverhältnisse. Das wirkliche Schicksal der Titanic-Orgel ist aber so oder so bislang nicht zufriedenstellend dokumentiert.

Friedrich Jakob 2007

Literaturhinweis
Peter Hagmann: Das Welte-Mignon-Klavier, die Welte-Philharmonie-Orgel und die Anfänge der Reproduktion von Musik, Bern 1984 (Europäische Hochschulschriften, Reihe XXXVI, Musikwissenschaft, Bd. 10).

Kurt Binninger: Die Welte-Philharmonie-Orgel, in: Acta organologica, Bd. 19, Berlin/Kassel 1987, S. 179-208.

Doris Fässler, Alfred Fischer, Robert Zingg: Schloss Meggenhorn (Meggen wie es war Bd. 2), Meggen 1986.


Disposition


www.orgelbau.ch/op=800780