Orgelbau Kuhn AG, 2011

Restaurierung

Orgel erbaut von
Franz Joseph Otter, 1794
Windladen
Schleifladen
Traktur
mechanisch
Registratur
mechanisch
Einweihung
29.01.2012
Experte
Rudolf Bruhin
Intonation
Gunter Böhme


www.orgelbau.ch/op=801550

Solothurn

II/P/22

Schweiz, Solothurn
Jesuitenkirche

© Bilder Denkmalpflege des Kantons Solothurn

Orgelbau Kuhn AG, 2011

Restaurierung

Orgel erbaut von
Franz Joseph Otter, 1794
Windladen
Schleifladen
Traktur
mechanisch
Registratur
mechanisch
Einweihung
29.01.2012
Experte
Rudolf Bruhin
Intonation
Gunter Böhme

Restaurierung im Zeitgeist

Die Restaurierung der Otter-Orgel aus dem Jahre 1794 widerspiegelt in ihrem Konzept sehr gut die Entwicklung der letzten Jahrzehnte auf dem Gebiet der Orgelrestaurierung.

Die Geschichte des Instrumentes wurde im Vorfeld unserer Arbeit von Dr. François Seydoux minutiös erforscht. Leider wurde dabei der Originalvertrag mit Franz Joseph Otter nicht gefunden. Aus den Unterlagen ging aber hervor, dass die Orgel in ihrer Geschichte diverse kleinere und grössere Eingriffe erfahren hat. Nach genauerem Studium der Verhältnisse am Instrument können wir sogar davon ausgehen, dass bereits der Erbauer Anpassungen am Gehäuse ausführen musste.

Die letzte grosse Restaurierung der Orgel erfolgte 1952. Die Vorstellungen über Orgelrestaurierungen haben sich seither natürlich verändert. Die Verbesserung der Trakturqualität und das Erreichen von Normverhältnissen am Spieltisch mit entsprechend eingeschobener Pedalklaviatur wurden damals als notwendige Massnahmen erachtet. Dafür war es notwendig, die Traktur weitgehend neu zu bauen und die Gehäusefront entsprechend auszuschneiden. Die Windverhältnisse wurden beanstandet und so erhielten die Laden neue Windkästen aus Tischlerplatten mit Schwimmerbälgen.

Im klanglichen Bereich wurde das Register Soncional 8 ' im Rückpositiv durch eine Sifflöte 1 ' ersetzt und ein neues Crummhorn 8 ' gebaut. Im Pedal wurden die offenen Holzpfeifen der Viol 8 ' zu einem Gedackt 8 ' umgearbeitet und die Holzbecher der Bombarde 16 ' durch Metallbecher ersetzt.

«Typisch 50er Jahre» lautet das Urteil gerne über solche Restaurierungen, im «zeitgemässen Denken» folgender Jahrzehnte waren (und sind) diese Ausführungen selbstverständlich sehr verwerflich. Hätte man die Orgel bereits vor 10 oder 20 Jahren re-restauriert, so wären dem «zeitgemässen Denken» mit Sicherheit sämtliche Ausführungen der 50er Jahre zum Opfer gefallen, alles hätte man «richtig» rekonstruiert und vor uns stünde wiederum ein Kind seiner Zeit.

Unter diesen Gesichtspunkten müssen wir uns deshalb vor Beginn einer Restaurierung die Frage stellen, was objektiv ungenügend an den Ausführungen der 50er Jahre ist? Der Orgelbauer hat damals das Pfeifenwerk insgesamt sehr gut restauriert und die Orgel besitzt trotz, technischer Mängel, immer noch erkennbare hohe klangliche Qualitäten. So mussten sämtliche Bauteile und Ausführungen von 1952 neu beurteilt werden.

Dabei gelangte man zur Überzeugung, bestimmte Ausführungen zu belassen, weil sie qualitativ gut waren und den historischen Baukörper nicht beeinträchtigten. Andere Ausführungen dagegen waren objektiv als Mängel zu klassifizieren. Beispielsweise der Einbau der Sifflöte 1 ' ab C. Dieser führte zu negativen Veränderungen bei der Pfeifenaufstellung anderer Otter-Register im Rückpositiv. Diese Ausführung und weitere Mängel sprachen gegen die «Erhaltung des gewachsenen Bauzustandes» von 1952 in seiner Gesamtheit.

Ziel war es selbstverständlich auch, ein technisch und klanglich hervorragendes Ergebnis zu erreichen, welches langfristig funktionsfähig sein muss. Für alle Beteiligten war es ein sehr interessanter Weg, manchmal auch eine Gratwanderung, sich zwischen diesen beiden Ansprüchen zu bewegen.

Die Windladen besitzen wieder Windkästen aus Massivholz (ohne Schwimmerbälge), und eine neue Keilbalganlage steht hinter der Orgel. Die alte Manual-Schiebekoppel Otters wurde wieder zur Funktion gebracht, die Gehäuseverhältnisse zurückgeführt. Bauteile der Traktur von 1952 blieben teilweise erhalten.

Das Pfeifenwerk wurde in der Situation von 1952 belassen, lediglich einzelne neue Holzpfeifen in nachweislich unrichtiger Mensur und das Register Salicional 8 ' (ab c1) im Rückpositiv wurden rekonstruiert. Die Pfeifen des Gedackt 8 ' im Pedal wurden wieder angelängt. Es handelt sich dabei um die alten Pfeifen von Otter, in normaler Mensur eines Octavbass 8 '.

Über die Weiterverwendung des Crummhorn 8 ' soll erst nach mehrmonatigem Einsatz der restaurierten Orgel definitiv entschieden werden.

Man wird dieses Vorgehen einer Re-Restaurierung in einigen Jahren natürlich auch als «zeittypisch» für eine Restaurierung des frühen 21. Jahrhunderts bezeichnen. Vielleicht versehen mit positiven Attributen wie «vorsichtig - behutsam - respektvoll» oder negativ mit «mutlos, unsicher und beliebig». Das entscheiden nicht wir und nicht jetzt.

Unabhängig vom sich wandelnden Zeitgeist denken wir mit dem hier geschilderten Vorgehen, einen «Weg zwischen den Wegen» gegangen zu sein. Nicht Schlagworte wie «kompromisslos restauriert» oder «Erhaltung des gewachsenen Zustandes» führen uns bei Restaurierungsaufgaben weiter, sondern die individuelle Beurteilung des einzelnen Instrumentes und seiner Geschichte.