Orgelbau Th. Kuhn AG, 1931

Neue Orgel

Windladen
Taschenladen
Traktur
elektrisch
Registratur
elektrisch
Einweihung
13.12.1931
Experte
P. Stefan Koller (Disposition, Mensuren), Leo Kathriner
Intonation
Otto Steiner


www.orgelbau.ch/op=106650

Zürich

III/P/52

Schweiz, Zürich
Kath. Kirche Guthirt Wipkingen

© Bilder Orgelbau Kuhn AG, Männedorf

Orgelbau Th. Kuhn AG, 1931

Neue Orgel

Windladen
Taschenladen
Traktur
elektrisch
Registratur
elektrisch
Einweihung
13.12.1931
Experte
P. Stefan Koller (Disposition, Mensuren), Leo Kathriner
Intonation
Otto Steiner

Zum Instrument

Im Dezember 1931, beinahe zehn Jahre nach der Fertigstellung der Guthirtkirche im Jahr 1923, konnte die Kirchgemeinde nach langem Sparen eine Orgel aus dem Hause Kuhn einweihen. Damals war das Instrument hochmodern, es wurde mit den letzten technischen Errungenschaften ausgestattet und ist einer neuen, erst Ende der 1920er-Jahre in der Schweiz etablierten und vom Elsass her kommenden Klangästhetik verpflichtet. «Die Orgel ist nach neuestem, rein elektrischen Systeme gebaut», heisst es in einer Besprechung des Instruments in der katholischen Kirchenmusikzeitschrift «Der Chorwächter» (Jahrgang 57, 1932, S. 46f., mit Autorenkürzel «-Il-»), «und dürfte in der Folgerichtigkeit der Durchführung eines Systems das erste Instrument dieser Art in der Schweiz sein».

In der Tat hat sich die Guthirtgemeinde 1931 ein exklusives und relativ grosses Instrument geleistet - man wollte sich innerhalb der in Zürich seit der Reformation noch jungen katholischen Kirche einen Namen machen, und dazu gehörten eben nicht nur die Höhe des Kirchenturms und die Anzahl Glocken, sondern eben auch Ausstattung und Qualitäten der Orgel. Entstanden ist ein Instrument, das der damaligen Geschmackrichtung folgend der sogenannten «Elsässer Orgelreform» verpflichtet ist, will heissen ein Instrument, das sich sowohl für die neuere Literatur des 19. und frühen 20. Jh. als auch für diejenige der Barockzeit eignen sollte. Es handelt sich also um eine «Reformorgel», die sich vom damals gerne als zu grundtönig und matt empfundenen romantischen Orgelklang der Jahrhundertwende distanziert. Nicht umsonst beschreibt die Besprechung im «Chorwächter» den Klang des Instruments als «hell» und «freudig»: Viele hohe Register, darunter auch viele Mixturen, d.h. «Klangkronen», verleihen dem Instrument einen strahlenden Klang und kommen der Wiedergabe der Musik des 17. und 18. Jh. entgegen. Dem Ideal des berühmten Elsässer Tropenarztes und Orgelsachverständigen Albert Schweitzer gemäss sollte aber auch die «romantische» Seite nicht zu kurz kommen: Zwei Schwellwerke ermöglichen eine orchestrale Klangdynamik und verfügen über jene Klangfarben, die für die Wiedergabe der Werke Charles-Marie Widors u.a. unabdingbar sind, darunter auch eine französische Zungenbatterie in 16'-, 8'- und 4'-Lage.

Diese spezielle, damals hochmoderne Mischung aus «Barock» und «Romantik» sowie die fein-poetische und gleichwohl kraftvolle Intonation zeichnen das Instrument aus. Allerdings kam just diese Ästhetik der 1920er- und 1930er-Jahre später in Kritik: Man wollte in den 1960er- und 1970er-Jahren noch mehr «Barock». Diese sogenannte «Neobarock»-Bewegung führte zu zahlreichen Orgelneubauten, und in den 1970er-Jahren hätte auch die Guthirtorgel ersetzt werden sollen. Ein neues Instrument war allerdings nicht zu finanzieren, und so blieb es bei einem geringfügigen Umbau im Sinne der damaligen Mode. Heute begegnet man den ganz wenigen erhaltenen «Reformorgeln» mit Respekt und schätzt sie als Zeugen eines bestimmten Abschnitts der Orgelbaugeschichte. Bei der Guthirtorgel handelt es sich sogar um das einzige Instrument der Schweiz, das fast integral im ursprünglichen Zustand erhalten ist. Neben der exzeptionellen technischen und klanglichen Qualität Grund genug, es in diesem Zustand zu erhalten: Im Rahmen der Kirchenrenovation 2018-19 konnte die Guthirtorgel durch die Firma Kuhn einer gründlichen Revision unterzogen werden. Dabei konnte auch ein historisches Register wieder eingebaut werden. Es handelt sich um das Register Zimbel im I. Manual. Dieses hatte Orgelbauer Hubert Senn 1977 - der «Neobarock»-Welle verpflichtet - mit Pfeifen kräftigeren Klangs ersetzt, die alten Pfeifen jedoch im Motorraum deponiert. Nun wurden diese ursprünglichen Pfeifen wieder installiert - sie überraschen den Hörer mit einem fein-glitzernden Klang.

Michael Meyer

Bildlegende

Bilder 1-6: Zustand 2019
Bild 7: Zustand 1931