Zürich

III/P/52

Schweiz, Zürich
Ref. Kirche Neumünster

© Bilder Orgelbau Kuhn AG, Männedorf

Orgelbau Th. Kuhn AG, 1995

Neue Orgel

Windladen
Schleifladen
Traktur
mechanisch
Registratur
elektrisch
Einweihung
15.01.1995
Experte
Bernhard Billeter
Gehäuseentwurf
Georg Weismann
Intonation
Rudolf Aebischer

Gute Qualität überlebt

Die Geschichte der Zürcher Tonhalle-Orgel ist lang und kompliziert, sie spiegelt zugleich über hundert Jahre Schweizer Orgelbaugeschichte, aber auch über hundert Jahre Geschichte der Firma Kuhn.

Im Jahre 1872 baute Johann Nepomuk Kuhn als opus 20 eine Orgel (II/P/31) für die sogenannte «Alte Tonhalle» in Zürich. Das alte Kornhaus auf der Sechseläutenwiese beim Bellevue war 1867 in eine Konzerthalle umgebaut worden. Hinter dem Orchester sollte nach damaligem Musikverständnis eine angemessene Orgel stehen, um die «richtige» Aufführung der grossen Chorwerke, insbesondere der Matthäuspassion Bachs und des «Messias» Händels, zu gewährleisten. Dieser Konzertsaal vermochte aber auf die Dauer nicht zu befriedigen. Deshalb entstand 1895 die «Neue Tonhalle» am heutigen Standort, ein nun von Anfang an als Konzerthaus geplanter Bau der damals sehr bekannten Wiener Architekten Fellner & Helmer.

Der Sohn Theodor Kuhn hatte nun die Aufgabe, die Orgel vom alten in den neuen Saal umzupflanzen. Bei dieser Gelegenheit erfolgten natürlich auch etwelche Retouchen an der äusseren Erscheinung und am Werk selbst (II/P/33). Im Jahre 1927 erfolgte eine weitere Modernisierung unter wesentlicher Vergrösserung des Instrumentes (III/P/70), und auf die Landesausstellung von 1939 hin wurde die Orgel nochmals auf den damaligen Stand gebracht (elektropneumatische Setzereinrichtung).

Im Jahre 1988 erhielt die Tonhalle von privater Seite eine neue grosse Konzertorgel nach einem Konzept von Jean Guillou geschenkt (IV/P/68). Das neue Gehäuse hierzu wurde von Hansrudolf Zulauf in Anlehnung an den alten Prospekt entworfen. Eine Aktion «Rettet die alte Tonhalle-Orgel» verfehlte zunächst ihren Zweck, erreichte aber doch, dass die alte Orgel nicht abgebrochen und vernichtet, sondern abgebaut und eingelagert wurde. Das Suchen nach einem neuen Standort verlief nach einiger Zeit erfolgreich. Für die 1840 erbaute, klassizistische Neumünsterkirche suchte man Ersatz für die Kuhnorgel von 1940, und es stellte sich heraus, dass die alte Tonhalleorgel prospektmässig genau passte. Freilich war die Tiefendimension viel zu gross, und die elektropneumatischen Einrichtungen des Spieltischs und der Windladen wollte man auch nicht weiterverwenden.

Aus diesen Sachzwängen und Einsichten heraus entstand das neue Projekt: ein technischer Neubau mit mechanischen Schleifladen und eine abgespeckte Disposition (III/P/52). Dabei kamen aber alle noch erhaltenen, durchwegs hochwertigen Register von 1872 und 1895 zur Wiederverwendung. Das alte Klangbild der Orgel kam der inzwischen wiederbelebten romantischen Orgelmusik sehr entgegen, und so darf man mit gutem Gewissen behaupten, die «Alte Tonhalleorgel» sei nach einem langen Dornröschenschlaf im Jahre 1995 wieder erwacht und lebe in der Neumünsterkirche fröhlich weiter.

Friedrich Jakob, 2006