Weingarten

IV/P/63

Deutschland, Baden-Württemberg
Basilika

© Bilder Orgelbau Kuhn AG, Männedorf

Orgelbau Th. Kuhn AG, 1983

Restaurierung

Orgel erbaut von
Joseph Gabler, 1736 - 1750
Windladen
Schleifladen
Traktur
mechanisch
Registratur
mechanisch
Einweihung
12.11.1983
Experte
Walter Supper + Kommission
Intonation
Kurt Baumann

Die Grosse Orgel der Basilika zu Weingarten ist wohl die berühmteste und sicher die grösste Denkmalorgel Süddeutschlands. Sie ist zugleich das unübertroffene Meisterwerk von Joseph Gabler (1700-1771), was umso bemerkenswerter ist, als es sich dabei erst um dessen zweite Orgel handelt. Der von Gabler selbst stammende Prospektentwurf ist tatsächlich genial zu nennen. Die Synthese von Orgel und Raumarchitektur zu einem einheitlichen Gesamtkunstwerk ist hier beispielhaft geglückt. In höchst raffinierter Art und Weise werden die sechs Fenster der Westfront in die Orgelgestaltung einbezogen und umspielt. Selbst der grosse zeitgenössische Gegner Gablers im Kloster, Pater Anselmus Wüntsch, gab unumwunden zu, dass Gabler bezüglich Prospektentwurf "ein ausbundt Meister" sei.

Die eigentliche Bauzeit der Orgel dauerte von 1737 bis 1750 und wurde für Gabler zu einer grossen wirtschaftlichen und menschlichen Belastung. Zwei Ereignisse waren für ihn geradezu katastrophal: der Klosterbrand vom 2. Dezember 1737 sowie ein Abtwechsel am 13. November 1738. Die Klosterschreinerei, welche gemäss Vertrag das Gehäuse herstellen sollte, war wegen des Brandes während Jahren überlastet, sodass es zu gewaltigen Terminverzögerungen kam, welche dann wiederum Gabler angelastet wurden.

Aber nicht nur der Entwurf, auch die technische Ausführung, insbesondere der Windladen und der Mechanik, ist von sehr hoher Qualität. Verschiedene technische Tricks sorgen dafür, dass das Werk trotz seiner weitausladenden Anlage einigermassen bequem spielbar blieb. Gabler realisierte hier zudem den ersten freistehenden Spieltisch in Deutschland. Die Zahl der Pfeifen sollte nach den verschiedenen Verträgen (1737, 1739, 1741, 1745) insgesamt 6666 betragen, nach klösterlicher Tradition der Anzahl der Peitschenhiebe bei der Geisselung Jesu entsprechend. Diese Zahl wurde indessen bei der Ausführung nie genau erreicht.

Hinsichtlich der Klanggestaltung sind ebenfalls ganz aussergewöhnliche Merkmale festzustellen. Bei den gemischten Stimmen fallen besonders die überaus grossen Chorzahlen auf. Die vielchörigen Register Sesquialter und Cornette sind zudem eigentlich repetierende Terzmixturen, der charakteristische 1 3/5' - Chor wird oft erst bei c' erreicht. Aber selbst normale Register besetzt Gabler gerne doppelt bis dreifach, vor allem auch Streicher. Wahrscheinlich wurde damit eine chorische Wirkung angestrebt. Der letzte Vertrag von 1745 umschreibt die Klangvorstellungen für die verschiedenen Werke wie folgt: Hauptwerk penetrant, Oberwerk (+Kronpositiv) douce, Echowerk lieblich, Brustpositiv douce, Hauptpedal pompos, Brustpedal scharpf. Nach heutigen Massstäben beurteilt klingt die ganze Orgel nicht übermässig laut, sondern eher etwas verhalten kammermusikalisch. Zarte Pastellfarben sind in allen Teilwerken zu finden.

Bei der Restaurierung 1981-83 wurden alle zwischenzeitlich erfolgten Veränderungen und Erweiterungen rückgängig gemacht. Freilich mussten auf Wunsch der Orgelkommission zwei Kompromisse eingegangen werden: der originale Pedalumfang C-g° wurde um 7 Töne bis d‘ erweitert, ferner wurde die ungleichschwebende Temperatur Gablers etwas modifiziert und entschärft.