Orgelbau Th. Kuhn AG, 1999

Neue Orgel

Windladen
Schleifladen
Traktur
mechanisch
Registratur
elektrisch
Einweihung
25.10.1999
Gehäuseentwurf
Claude Lardon
Intonation
Rudolf Aebischer

Disposition


www.orgelbau.ch/op=113800

München

III/P/52

Deutschland, Bayern
Hochschule für Musik und Theater, Grosser Saal

© Bilder Orgelbau Kuhn AG, Männedorf

Orgelbau Th. Kuhn AG, 1999

Neue Orgel

Windladen
Schleifladen
Traktur
mechanisch
Registratur
elektrisch
Einweihung
25.10.1999
Gehäuseentwurf
Claude Lardon
Intonation
Rudolf Aebischer

Das technische und klangliche Konzept der neuen Orgel

Die Voraussetzungen für den Bau von Konzertsaalorgeln sind in wichtigen Belangen verschieden von denjenigen für den Bau von Kirchenorgeln. Zum einen betrifft dies die Standortfrage. Statt im Rücken der Gemeinde auf einer Empore steht die Konzertsaalorgel im Angesicht des Publikums auf einer Orchesterbühne. Auf diesen Bühnen herrscht immer und überall Platzmangel, weshalb für die Orgel nur eine sehr geringe Tiefe zur Verfügung steht. Zum andern sind in den Kirchen in der Regel längere Nachhallzeiten vorhanden als in Sälen, wo auch intime Kammermusik aufgeführt werden soll. Hierauf müssen die Mensuration und die Intonation des Pfeifenwerks Rücksicht nehmen.

Zur technischen Anlage

Normalerweise stehen bei Orgeln dieser Grösse das Schwellwerk und Teile des Grosspedals zurückgestaffelt hinter dem Hauptwerk und Positiv. Die zur Verfügung stehende geringe Konstruktionstiefe erheischte hier aber eine ökonomische Platzausnützung mit einer Aufstellung aller Teilwerke in einer einzigen Ebene. Obwohl wir auf einen ausgesprochenen "Werkprospekt" in neobarockem Sinne verzichteten, ist die Anlage in groben Zügen am Prospekt ablesbar: in der Mitte unten steht das Hauptwerk, beidseitig flankiert vom Pedalwerk. Ueber dem Hauptwerk liegt das Positiv. In den Schultern zwischen Positiv und Pedal steht, unsichtbar, das zweiteilige Schwellwerk.

Der Spieltisch der Orgel beansprucht, insbesondere wegen der Pedalklaviatur, der Organistenbank und des notwendigen "Umgangs" für den Hilfsregistranten und Seitenwender, recht viel Platz. Deshalb wurde hiefür eine möglichst flexible Lösung gesucht. Die etwas erhöhte Spielanlage kann auf zwei verschiedene Arten erreicht werden. Bei horizontaler, nicht abgestufter Bühnenebene wird ein fahrbares, ankoppelbares Organistenpodest benützt, bei abgestufter Bühnenebene können Bank und Pedalklaviatur direkt auf die ausgefahrenen Stufen des Orchesterpodiums gestellt werden. Wenn die Orgel nicht benützt wird, können Bank und Pedalklaviatur so oder so entfernt werden.

Die Orgel ist durchwegs mit Schleifwindladen ausgestattet. Die Spieltraktur einschliesslich Koppeln ist rein mechanisch angelegt. Die Elektrizität kommt lediglich für die Windversorgung und für die Registerbetätigung zur Anwendung.

Zur architektonischen Gestaltung

Durch die Anordnung der Teilwerke in einer einzigen Ebene ergab sich zwangsläufig eine relativ breite Prospektfläche. Diesem Querformat wird durch eine Aufgliederung in fünf schlanke Flachtürme entgegengewirkt. Hiedurch entsteht eine gemässigte Reliefwirkung, welche mit den glatten Wänden des Raumes kontrastiert. Die Türme werden optisch von zwei grosszügigen Bogen durchstossen, welche dem Prospekt Dynamik und Zusammenhang verleihen und dem Halbkreis des Saalgrundrisses verwandt sind. Da der Spieltisch aus Platzgründen nicht völlig in den Unterbau der Orgel geschoben werden konnte, bot sich die Möglichkeit, mit den geschweiften Spieltischtüren dem Instrument ein prägnantes Zentrum zu geben und den Bogen der Saalrückwand in einer anderen Ebene nochmals aufzugreifen.

Der ganze Saal ist mit Holz ausgekleidet. Es war deshalb wichtig, den Farbton des ebenfalls hölzernen Orgelgehäuses genau auf die Umgebung abzustimmen. Das Gehäuse wurde daher aus hellem Eschenholz gefertigt und gebeizt. Die Schleiergitter sind aus Stahlblech gestanzt und von Hand mit Blattgold belegt worden. Das Blattgold gibt den Gittern einen leicht unregelmässigen Farbton und Glanz. Aus der Nähe betrachtet sieht man die Struktur der Gitter deutlich. Aus Distanz betrachtet wirken die Gitter dagegen wie ein goldener Schleier. Sie bilden einen dezenten Uebergang vom hellen Silberglanz der Prospektpfeifen zur Golddecke des Saales.

Zur klanglichen Gestaltung

Die Disposition wurde zusammen mit der Orgelkommission erarbeitet. Das neue Instrument sollte keine reine Barockorgel werden, sondern auch der deutschen und französischen Romantik dienlich sein. Auf dieses Ziel ist vor allem das grosse, zweiteilige Schwellwerk gerichtet. Es enthält deshalb nicht nur französisch konstruierte Zungenstimmen, sondern auch entsprechende Streicherstimmen und überblasende Flöten.

In der Frühzeit der Orgelbewegung glaubte man, es genüge, die damalige spätromantische Orgel mit einem "Barockmanual", einem (Rück-) Positiv, auszustatten. Man wollte zunächst nicht merken, dass dadurch die Einheitlichkeit der Orgel zerstört wurde. In einem mühsamen Prozess musste man gewahr werden, dass sich im Orgelbau alles gegenseitig bedingt, um zu einer Ganzheitlichkeit gelangen zu können. Aus diesen Erfahrungen sollte man lernen und heute, bei einer gewissen Wiederbelebung der Romantik, nicht denselben Fehler in umgekehrter Richtung machen. Es genügt demnach nicht, eine barock orientierte Orgel mit einem "Romantikmanual", einem Schwellwerk, auszustatten, sonst zerbricht die Ganzheitlichkeit des Instrumentes. Es ist unabdingbar nötig, auch bei den verbleibenden barocken Werken (Hauptwerk, Positiv, Pedal) wenigstens gewisse Retuschen vorzunehmen. Dies gilt nicht nur für die Disposition, sondern noch in erhöhtem Mass für die Intonation.

Die Romantik bedarf eines breiten, satten und variationsfähigen Fonds von 8’- Grundstimmen mit verhältnismässig grundtöniger Intonation, der Barock dagegen lebt vom Silberglanz der engmaschigen Prinzipalpyramide und obertöniger Aliquotenmischungen. Diese zwei Grundprinzipien sind nicht ohne weiteres miteinander zu verbinden.

Im Wissen um diese Zusammenhänge versuchten wir, eine ausgewogene Balance zu finden zwischen polyphoner Klarheit und romantischem Schimmer, unter Wahrung einer überzeugenden Ganzheitlichkeit und Geschlossenheit des Gesamtwerkes.